Erinnerungen

skizziert von Volker Worm


1947 in Leipzig zur Welt gekommen, sah ich 1954 beim Leipziger Stadtparkrennen das erste Mal Rennautos und Rennmotorräder. Ich hatte damals einen tollen Platz, saß ich doch mit meiner Mutter und meinem Bruder ganz vorn in der ersten Reihe, unmittelbar am Straßengraben, ca. 2 m neben der Straße. Mein Vater, der aus Schleiz stammte, war Polizeihelfer und zu diesem Rennen als Streckenposten eingeteilt. Er hatte uns diesen tollen Platz reserviert. Wenn Rosenhammer und Co. mit ihren AWE vorbei rasten, hielten wir uns immer die Ohren zu. Irgendwann, so erinnere ich mich, war ich auch mal in Panitzsch zu einem Sandbahnrennen. Heute wohne ich in Panitzsch, die Strecke gibt es noch, aber leider gibt es weder Trabrennen noch Motorsport, dabei war doch über viele Jahre sogar die GST-Kernmannschaft des Motorradgeländesports dort zu Hause. Also, einmal Stadtparkrennen und einmal Sandbahnrennen, das war alles, was ich in meiner Kindheit mit Rennsport zu tun hatte.

Mein Vater hatte damals eine Touren-AWO, ich fuhr gern mit, aber mein wirkliches Interesse gehörte den Flugzeugen. Ich baute Flugmodelle wie verrückt und wollte unbedingt Pilot werden. Folgerichtig begann ich mit 15 Jahren mit dem Segelfliegen und meldete mich ein Jahr später bei den Motorfliegern an. Eine Woche gründliche Untersuchung in Königsbrück, und für mich brach eine Welt zusammen - ich hatte zu große Mandeln (!!!) und war deshalb für die Motorfliegerei nicht geeignet. Der nächste Tiefschlag folgte gleich anschließend: 1964 wurden in der DDR keine Lehrlinge als Flugzeugmechaniker ausgebildet. Tief enttäuscht verschenkte ich alle meine Flugmodelle, wollte Flugzeuge weder sehen noch hören und lernte eben aus Verlegenheit KFZ-Schlosser. Mein Vater erhielt seinen ersten Trabant und ich sein Motorrad, eine Sport-AWO. Da ich erst 17 war und die 250-ziger noch nicht fahren durfte, band ich mir immer ein Tuch vors Gesicht, damit der Polizist auf der Kreuzung mein Alter nicht erkennen konnte. Als echter Motorradfreak war ich öfters am Sachsenring zu den WM-Läufen. Agostini, Hailwood, Redmann, Braun, aber auch Fügner, Krumpholz und Bischhoff hießen die Stars dieser Jahre. Mit dem Automobilrennsport kam ich erst wieder während der Armee in Kontakt. Ich war drei Jahre als Kraftfahrer in Berlin, und wir fuhren zum Rennen zur Bernauer Schleife zuschauen. Peter Findeisen, Heinz Melkus, Manfred Kuhn usw. kämpften tapfer gegen Rolf Gröndahl und Fred Kottulinski, ein Kampf mit sehr ungleichen Waffen, war doch der Wartburgmotor bereits damals der hubraumstärkeren Konkurrenz nicht mehr gewachsen. Während der Armeezeit lernte ich auch einen gewissen Willamowski kennen, dieser diente mit in meiner Truppe und war der Bruder des berühmten Fred Willamowski vom ASK Leipzig, mehrfacher SIX DAYS-Sieger und Enduro-Europameister, mit dem ich später sogar einige Male zusammen trainierte. Im Frühjahr 1970 war meine Armeezeit vorbei und ich begann in Leipzig ein Ingenieurstudium.

Ich hatte mir auch wieder ein Motorrad gekauft und zwar wieder eine AWO-Sport. Auf Anraten meines bereits aktiven Bruders, und auch "angemacht" von den damaligen Erfolgen der DDR-Geländefahrer, begann ich im Herbst 1970 mit dem Motorradgeländesport bei der GST-Interdruck Leipzig.

Die folgenden vier Jahre, in denen ich mein Studium erfolgreich abschloss, von der AWO auf eine MZ-ETS umstieg und vor allem 3 mal Bezirksmeister im Motorradgeländesport wurde, prägen mein Leben teilweise noch heute. Bei der teilweise fast unmenschlichen Schinderei mit der Enduro im bodenlosen Schlamm, knietiefem Sand, den fast senkrechten Steilabfahrten, an denen man sich schiebend bis zur totalen Erschöpfung verausgabte, lernte ich vor allem eins, nämlich nie, nie aufzugeben! In unserer Endurowerkstatt hing ein Spruch über der Werkbank: "Hinfallen ist keine Schande, aber das Liegenbleiben!" Nach diesem Motto habe ich bisher immer in den vielen Jahren des Motorsports mit seinen Höhen und Tiefen gelebt, aber auch im privaten Leben mit seinen vor allem nach der Wende aufgetretenen existentiellen Problemen.

Die MZ-ETS hatte ich übrigens 1972 mit einer Rennverkleidung versehen, die ein gewisser Hartmut Thaßler damals in einer Garage in Leipzig-Gohlis in Kleinserie herstellte und der damals mit einem Melkus RS-1000 Rennen fuhr. Dieser Thaßler baute gerade für seinen neuen Formelrennwagen eine neue Karosserie aus Glasfaser und Polyesterharz, etwas ganz Neues, waren doch bis dahin die Karossen alle aus getriebenen Alublech. 1973 habe ich Hartmut Thaßler dann mit seinem Rennwagen in unser Jugendclubhaus eingeladen. Am Tag vor der Veranstaltung wurde der Rennwagen angeliefert. Erst viele Jahre später habe ich ihm mal gebeichtet, das ich heimlich mit seinem Rennwagen auf der Tanzfläche einige Runden gefahren bin!

Ein Rennwagen war natürlich für einen Jungingenieur mit 580,- Mark Brutto Monatsgehalt außerhalb jeder Möglichkeit, aber Wolfgang Petri, damals 1. Mechaniker bei Thaßler, baute mit Udo Gaida zwei Tourenwagen A600 auf. Bei einem Bergrennen kurz hinter Halle, bei dem ich mit meiner ETS aus Spaß mal gemeldet hatte und auch gleich den 2. Platz erreichen konnte, waren diese Rennpappen am Start und auch Wolfgang Eisner aus Frohburg, ein Kumpel vom Enduro und ehemaliger Spitzen-Motocrosser, hatte plötzlich so eine Rennpappe.

Mich hatte es nun auch gepackt, ein Trabbi musste her!



Leider waren damals auch gebrauchte Autos so selten wie Schnee in der Sahara. Aber im zeitigen Frühjahr 1974 hatte ich Glück, ein 500 Trabant mit einer 601 Karosserie war günstig für 6000,- Mark zu kriegen. Durch den Bau und Verkauf von Sportlenkrädern für Trabant und Wartburg hatte ich etwas gespart, die ETS gut verkauft und den Rest von Mutti geborgt: Ein mausgrauer Trabant stand endlich vor der Tür. Voller Optimismus beantragte ich eine Lizenz fürs Autorennen. Irgendwann Mitte April kam eine Einladung zum Schleizer Frühjahrstraining. Hektische Tage begannen. In das Auto musste ein Überrollbügel eingebaut werden und neue Reifen waren auch fällig. Die gab es erstens nicht und kosteten zweitens immerhin 600,- Mark, die ich gar nicht hatte. Ein Kumpel borgte mir das Geld und ein anderer kannte einen, der einen kannte, der in einem Reifendienst arbeitete!

Am ersten Sonntag im Mai war die Maschinenabnahme in Schleiz, vorgezeigt habe ich die Einladung zum Frühjahrestraining, den Kaufvertrag über den Trabant 500 und eine Umbaugenehmigung vom Rat des Bezirkes auf die 601-Karosserie. Auf Frage nach der Motornummer und meine Antwort, die aus der Zulassung, es sei der echte 500 ccm Motor mit 18 PS, mit unsynchronisiertem Getriebe und Simplexbremsen, nur die Karosserie sei vom 601, brüllte ein gewisser Herr Leutert so was wie "Nicht homologiert" und "Der Kindergarten wäre woanders". Er schmiss mich aus dem Abnahmezelt. Mit dem Spruch "Dann fahre ich eben bei den Sportprototypen!!!" bin ich dann wieder rein, großes Gelächter in der Abnahme, die mir dann beim Ü-Bügel saubere Arbeit bescheinigten und ich durfte am Training teilnehmen. In der Abfahrt vom Buchhübel zur Stadt kam der 500er immerhin auf etwas über 100 Sachen, als Ausgleich musste ich nach der "Seng" an der Auffahrt zum Lug ins Land auf den zweiten Gang runter schalten. Ich war natürlich mit Abstand der Letzte, mir war das egal, wichtig war nur, ich hatte meine Lizenz!

So fuhr ich 1974 Endurorennen mit meiner MZ-ETS-G und Autorennen mit dem Trabant. Natürlich hatte ich den Trabbi mittlerweile entsprechend umgerüstet. Von Wolfgang Petri erhielt ich einen ca. 45 PS starken Drei-Kanal-Motor, weiterhin hatte ich auch ein neues synchronisiertes Getriebe, neue Bremsen vom Wartburg, B1000-Stoßdämpfer, negativen Sturz usw. eingebaut und das Auto in mehreren Farben neu lackiert. Da ich beim Frühjahrestraining mit dem 500 ccm -Motor natürlich keine gute Zeit hatte, durfte ich am Sachsenring noch nicht starten, aber für Schleiz hatte ich eine Zusage. Leider gab es in diesem Jahr am Sachsenring einige sehr schwere Unfälle, als Sofort-Maßnahme wurde festgelegt, das die Anfänger erst Bergrennen fahren mussten. Daraufhin wollte ich sofort nach Zittau zu Albert Gärtner fahren, um ihm meinen tollen Trabant zu zeigen, in der naiven Annahme, wenn der Chef der Fachkommission Rennsport mein tolles Auto sieht, lässt er mich sofort auf die Rundstrecke. Auf der Autobahn fuhr ich immer genau 100 km/h, also kein km/h schneller als erlaubt war.

Es kam, wie es kommen musste, der abgemagerte Motor hatte schon kurz hinter Grimma ein Loch in einem Kolben. So war es nichts mit der Vorstellung in Zittau. Da ich keinen neuen Kolben auftreiben konnte, wurde das Loch zugeschweißt. Mit dem Rennen in Schleiz war es nun nichts geworden, aber es gab ja die Bergrennen. Zu jedem ausgeschriebenen Rennen wurde gestartet und auch zwei kleinere Rallyes wurden gefahren. Da dies ja mein einziges Auto war, wurde nach dem Rennen der Rennmotor aus- und der 500er Motor wieder eingebaut, und es ging per Achse nach Hause. Ich hatte immer viele Kanister dabei, die mit dem "guten Benzin" fürs Rennen und für den 500er VK33 (Waschbenzin, "klingelt schon im Kanister!"). Manchmal schleppte mich auch mein Freund Otto Hoppstock, der fuhr mit einem 1500 "Mossi" Bergrennen, einmal zum Beispiel von Leipzig nach Hohe Sonne in Eisenach - Vorn der Mossi, dann 5 Meter Abschleppseil, und dann ich in der Rennpappe mit 130 auf dem Tacho, was waren wir für "Tolle Kerle"!

Die Saison 1974 endete mit einer Motorradgeländefahrt in Eilenburg, Enduro vom Feinsten! Die Sonderprüfung ging mitten durch den Wald, für mich ein Heimspiel, ich hatte dort schon mehrmals gewonnen! Ergebnis diesmal: Motorrad, Sturzhelm, Knie, Oberkiefer kaputt, Gehirn nicht gerührt, sondern geschüttelt, Baum nur leicht beschädigt! 6 Wochen Krankenhaus Eilenburg und vierzig Penezillinspritzen, eine völlig neue Erfahrung.

1975 sollte es dann mit dem Auto richtig losgehen, die Enduro hatte ich in die Ecke gestellt, nur noch besenreiner Asphalt war angesagt. Und es ging recht gut los: Annaberger Bergrennen: 4. Platz, Ilmenau: 6. Platz, Lützgendorf: 5. Platz und dann war es endlich soweit: Zum ersten mal auf die Rundstrecke, Sachsenring 1975, der "Große Preis des ADMV der DDR".

Schon Tage vorher war ich wahnsinnig aufgeregt und konnte nachts kaum schlafen. Für das Training hatte ich mir mit Udo Gaida, damals bei den Trabbi immer mit vorn dabei, eine Windschatten-Runde ausgemacht. Leider hatte Udo mir nicht gesagt, das er am Queckenberg geradeaus ins Fahrerlager wollte. So kam ich viel zu schnell auf die Start- und Zielgerade, driftete weit nach außen, schob die Strohballen wie eine Rampe unter mein Auto, hob ab und sah nur noch die vielen tausend Zuschauer auf der Tribüne. Nach der passablen Landung bekam ich meinen ersten Beifall beim Autorennen!

Das Rennen lief dann ganz ordentlich, ich wurde mit meinem einfach gestricktem Drei-Kanal-Motor immerhin 9. Die damaligen Asse bei den 600ern, die Herren Kramer, Aßmann, Schreiber, Kubald, Gaida usw., fuhren 5-kanalige Zweivergasermotoren und teilweise schon Alufelgen mit Slicks, ich hatte mich beim Reifenpoker für "Pneumant-Immerglatt" mit Wartburgstahlfelge entschieden und war trotzdem glücklich.

Einige Wochen danach war Schleiz angesagt. Bei hochsommerlicher Hitze war es ein tolles Rennen. Rundenlang fighteten wir zu fünft im Mittelfeld, am Ende war ich wieder glücklicher 9. Am Tag danach wurde wieder der Serienmotor, mittlerweile ein 26 PS starker 600er, eingebaut und am Abend ging es mit dem Zelt im Kofferraum Richtung Ostssee. Irgendwo in Mecklenburg, so gegen fünf Uhr in der Früh, kam in einem kleinen Dorf die Kelle! "Für Sie ist das Rennen zu Ende!" brüllte der Wachtmeister und zerfetzte meine Stempelkarte. 113 km/h kurz nach dem Ortsschild, erinnert Euch Freunde, auf der Landstraße war nur 80 und selbst auf der Autobahn nur 100 erlaubt. So eine verrückte Pappe und so schnell mitten durchs Dorf, das hatte er in seinem verträumten Mecklenburg noch nie gesehen! Drei Monate waren die "Fleppen" weg, ich konnte trotzdem noch einige Bergrennen fahren, aber bei der Anmeldung in Frohburg wollten die doch unbedingt das "Scheinchen" sehen. So kam wenigstens mein Freund Wolfgang Petri, der das ganze Jahr immer nur Ausfälle hatte, mit seinem ehemaligem und nun von mir geborgtem Motor zum Saisonende zu einem guten10. Platz.

Die Saison 1975 war zu Ende, ich hatte mit meinen Freunden viel Spaß gehabt, hatte viele neue Sportkameraden kennen gelernt und war, trotz relativ einfacher Technik, immer im vorderen Mittelfeld ins Ziel gekommen. Sehr belastend war allerdings, das ich nur ein Auto hatte, also der Rennwagen diente zugleich auch als Privatwagen. Wenn wir in die Disco fuhren, baute ich vom Überrollbügel die Querstrebe aus und nahm für die Mitfahrer immer Kissen mit, es fehlte ja die Rücksitzbank. Auch die Vorderachse musste dauernd repariert werden. Die damaligen schlechten Straßen, die ausgestellten Felgen und der negative Sturz beanspruchten die Federgabel und den unteren Drehzapfen über Gebühr stark.

Am schlimmsten war aber der ständige Ärger mit der Polizei. Spoiler, Felgen, Lenkrad und Auspuff wurden bei jeder Kontrolle bemängelt und das bunte Auto wurde oft angehalten. Nur selten hatte ein Polizist Verständnis und ließ mich ohne Mängelzettel weiterfahren. Um diesem Ärger ein Ende zu bereiten, suchte ich fürs neue Jahr dringend nach einer Trabant-Unfallkarosse, um mir endlich einen richtigen Tourenwagen ohne Straßenzulassung aufbauen zu können.

Doch es sollte alles ganz anders kommen.



Mitte 1975 hatte ich in einem neuen Betrieb als Abteilungsleiter angefangen. Dort arbeiteten auch mein Trabbi-Freund Wolfgang Petri und Hartmut Thaßler, der sich mit der Entwicklung und dem Bau eines neuen Rennwagens (HTS) in der Szene einen guten Namen gemacht hatte. Das tägliche Zusammensein mit Hartmut und seine Überredungskünste führten bei mir, aber auch bei Wolfgang Petri zu dem Entschluss, den Tourenwagen den Rücken zu kehren und bei Hartmut die Teile für einen HTS zu bestellen. Als erstes, noch im Herbst ´75, lieferte er die Karosserieteile. Im Garten zusammengestellt wurde schon mal Probe gesessen. Ich hatte damals noch keine Garage, aber auf dem Hof des Siedlungshauses meiner Großmutter hatte ich einen kleinen Schuppen, allerdings war der für ein Auto zu klein. Natürlich ging die von Hartmut vorgerechnete Finanzierung nicht auf und ich musste meinen Trabant verkaufen. So hatte ich kein Auto mehr, fuhr mit der Straßenbahn oder mit einem Tatran-Motorroller, aber ich hatte einen Formelrennwagen, zumindest eine Menge Einzelteile. Zum Glück war im Frühjahr 1976 fast immer schönes Wetter, so dass ich mit meinem Bruder und vielen Freunden den Rennwagen auf dem Hof unter freiem Himmel zusammen bauen konnte. Erst im Sommer hatte ich dann auf dem Grundstück der Oma eine große Werkstatt gebaut. Bis dahin stand der Rennwagen unter einer Plane im Freien.

Riesige Probleme gab es beim Zusammenbau des Autos zu bewältigen. Jede freie Minute wurde am Formel gearbeitet. In dieser Zeit lernte ich auch meine Frau kennen, die damals überhaupt nicht begreifen konnte, das ich so wenig Zeit für sie hatte, aber so sehr viel für mein Rennauto. Sie konnte damals gewiss nicht voraussehen, das sich das in Zukunft kaum ändern und der Rennsport für so viele Jahre unser gemeinsames Leben bestimmen würde.

Problematisch war die Beschaffung von fast allem, was von Hartmut Thaßler nicht geliefert wurde. Selbst ein Batteriehauptschalter war nicht leicht zu bekommen und die benötigten Gürtelreifen waren ebenfalls große Mangelware. An Sliks war vorerst nicht zu denken, es blieben Radialreifen, Marke Pneumant, allerdings vorn die vom Trabant und hinten vom Wartburg. Es machte große Mühe, den Verkäufer zu überreden, mir von jeder Größe nur zwei zu verkaufen, er war der Meinung, unterschiedliche Reifengrößen an einem Auto sind verboten! Die ersten Felgen waren aus Stahl, je zwei Wartburgfelgen wurden auf der Drehbank getrennt und dann wieder verschweißt. Aus zwei Felgen wurde somit eine mit einem breiteren Tiefbett und anderer Einpresstiefe. So zog es den Reifen etwas breiter und die Spur vergrößerte sich. Sicherheitsgurte gab es natürlich auch nicht, ein Schuster aus der Umgebung war dann bereit, nach meinen Angaben Original-PKW-Gurte entsprechend umzunähen. Ich musste ihm allerdings eine schriftliche Erklärung "Auf eigene Gefahr..." unterschreiben.

So langsam wurde der Rennwagen fertig, das Frühjahrstraining in Schleiz rückte immer näher und nirgendwo in Leipzig und Umgebung gab es Verteilerfinger für den 1200ccm Shigulimotor. Es war zum verzweifeln, sollte der Saisonstart an einem Pfennigartikel scheitern? Mein treuer Mechaniker, Werner Götz, brachte am Freitag vor Schleiz einen Verteilerfinger aus seinem Betrieb mit, er hatte den Meister überzeugt. Er hat das Teil aus einem Auto ausgebaut, das ein Kunde zur Durchsicht gebracht hatte und uns verpflichtet, dieses sofort am Montag früh wieder bei ihm abzuliefern. Somit war das Frühjahrstraining gerettet und wir konnten den HTS auf den, ebenfalls von Werners Betrieb KIB-Leipzig geborgten, B1000 verladen und nach Schleiz fahren.

1976 - meine 1. Saison im Rennwagen

Mein erstes Rennen im Formel war das Adlersbergrennen in Suhl, trotz Gürtelreifen wurde ich 7. Das zweite Rennen war in Ilmenau. Wolfgang Petri war nach dem Training 4. und ich 5.. Wir berieten, wo wir am Sonntag schneller fahren und somit mindestens 2. und 3. werden könnten. Eine schnelle Linkskurve nicht weit nach dem Start schien noch schneller zu gehen. Am Sonntag wurde entsprechend der Trainingszeit gestartet, so das ich zwei Autos vor Wolfgang dran war. Mit dem allmählichem Nachrücken Richtung Start stieg der Puls ins Unendliche, dann endlich die Ampel auf Grün! Die schmalen Reifen drehen durch, dann bauten sie Grip auf, 2., 3., 4. Gang, die schnelle Linkskurve, kurz bremsen, Schalten, dann wieder Gas, fast quer, aber rasend schnell, viel schneller als im Training! Ich freute mich. Das hat gesessen und... verpasse in meiner Freude den Bremspunkt zur nächsten Kurve. Hilfreiche Zuschauerhände wollten mich an den Armen aus dem im Graben liegendem Auto ziehen, ich schrie und schrie, sie zogen und zogen und schafften es nicht...

Endlich hatte einer eine Idee und öffnete mein Visier, ich brüllte, lasst doch meine Arme los, sie ließen los, ich konnte endlich den Gurt öffnen und ohne einen Kratzer aus dem Auto steigen! Während ich dann zu Fuß den Berg hinunter lief, wurde das Rennen wegen einem weiterem Unfall unterbrochen. Mein Freund Wolfgang Petri war ausgangs der schnellen Linken an einen Begrenzungspfosten geknallt und landete mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus. Am Abend konnten wir ihn dort abholen, er lag in einem Bett und schlief, außer einem Brummschädel fehlte ihm nichts. So war es für uns beide leider nichts geworden mit dem Platz auf dem Podest.

Der Sachsenring kündigte sich an und ich hatte immer noch keine Rennreifen. H. Thaßler hatte allerdings einen Bekannten bei einem Barum-Reifenhandel in Karlsbad. Also habe ich mit Omas Personalausweis für 30 Tage Kronen getauscht, von meinem Vater den Trabant geborgt, darin das Bündel Kronen versteckt und bin in die CSSR gereist. Hartmuts tschechischer Freund hat sich bald totgelacht, wie ich vom Trabant erst den Ersatzreifen von der Felge abnehmen musste, um an die Kronen zu gelangen. Wie ich die vier Rennreifen hatte, bin ich gleich nach Mlada Boleslav weiter gefahren, dort lief gerade die SKODA-Rallye, die Rallyefahrer von Wartburg Eisenach nahmen meine Reifen mit ihrem Service-Auto über die Grenze und irgendwann, aber rechtzeitig vor dem Sachsenring, konnte ich die Reifen dann in der ADMV-Werkstatt in Leipzig abholen.

Sachsenring 1976
- auf nagelneuen Reifen ein harter, rundenlanger Kampf mit meinem Freund Wolfgang Petri. In der letzten Runde auf der Abfahrt vom Heiteren Blick konnte ich Wolfgang überholen und wurde hinter Gerhard Bedrich, Frieder Kramer und Werner Juppe glücklicher Vierter! Zu meiner großen Freude war ich dann auch noch im nachfolgendem "Illustriertem Motorsport" mit auf der Titelseite abgebildet.

Schleiz 1976
- die Ampel zeigt grün, neben mir, neben der Begrenzungslinie, überholt Klaus Ludwig, zieht vor mir wieder zurück auf die Strecke, ich bremse, werde von hinten geschoben, berühre den Wagen von Klaus Ludwig, er dreht quer und pflügt durchs Feld und schießt dabei H.J. Vogel ab, der fast einen Totalschaden erleidet. Ich muss anhalten, direkt vor der Box, springe aus dem Auto und ziehe wie wild die Spitze nach vorn, deren Halterung sich verbogen hatte. Dann zurück ins Auto, mein Bruder schnallt mich wieder an und ich fahre der Meute hinterher. Wie ich die Abfahrt zur Seng erreiche, sehe ich den Letzten des Feldes ganz oben kurz vor Lug ins Land. Mit Wut im Bauch werde ich noch 7. , mein Freund Wolfgang Petri knallte jedoch kurz vor Rennende mit einem geplatzten Reifen in Höhe der Boxengasse in die gegenüberliegende Mauer vor der Tribüne. Wolfgang bleibt zum Glück auch diesmal unverletzt, sein Auto aber erleidet Totalschaden!

Frohburg 1976
- Frieder Kramer gewinnt ungefährdet, aber dann komme schon ich -  2. Platz, wieder nach hartem Kampf mit Wolfgang Petri, der 3. wurde. Gerhard Bedrich, der sonst immer den 2. Platz belegt hatte, war mittlerweile mit einem Startverbot belegt worden, da ihm unerlaubte Veränderungen an seinem Motor nachgewiesen worden waren.

So endete meine erste Saison in einem Formelrennwagen mit dem 3. Platz in der DDR-Bestenermittlung und dem Aufstieg in die Leistungsklasse I.



Ich hatte es geschafft und gehörte von nun an zu den "ganz Großen" im Autorennsport - dachte ich! Ganz schnell musste ich erfahren, das in der LK I ein anderer Wind wehte. Selbst die, die damals aus meiner naiven Sicht nur "hinten rum fuhren", konnten plötzlich richtig gut Auto fahren und es bedurfte großer Anstrengungen, bei den Rundstreckenrennen unter die ersten Zehn zu kommen. Bei den Bergrennen lief es da schon besser und davon gab es ja jede Menge. Suhl, Zella Mehlis, Heuberg, Glasbach, Naumburg, Eisenach, Riestädt, Hundeshagen, Ilmenau, Heiligenstadt und Sonneberg. An fast jedem Wochenende war zu Ende der siebziger, Anfang achtziger Jahre irgendwo ein Bergrennen. Während die Nationalmannschaft zu den Pokalläufen der sozialistischen Länder reiste, feierten wir Anderen bei irgendeinem Bergrennen nach dem Training manchmal bis zum Sonntag morgen. Mancher musste sogar auf das Sonntagmorgentraining verzichten, da er noch nicht wieder nüchtern war oder eine Dorfschöne ihn nachts nicht hatte schlafen lassen.

Geschlafen wurde übrigens meistens im Zelt, in irgendeinem Betriebsferienlager oder auch in der Turnhalle des Dorfes auf der Luftmatratze.

Mir gelangen in diesen Jahren einige gute Plätze, so z. B. beim Glasbachrennen 1977 der 2. Platz, Naumburg 1977 der 3. und einige andere. Bei den Rundstreckenrennen war es etwas schwieriger. 1978 war ich am Sachsenring und Schleiz jeweils 10., aber in den Folgejahren gab es mit dem altem HTS trotz allem Einsatzes keinen Blumentopf mehr zu gewinnen. Es war einfach frustrierend, man riskierte Kopf und Kragen und hatte einfach keine Chance. Die Ausstattung des Autos mit einer MT-77 Karosse war nur rausgeworfenes Geld (ca.2.500 Mark), so dass ich am Ende der Saison 1979 mein Auto an den Dresdner Jürgen Meißner verkaufte und den Helm an den berühmten Nagel hängen wollte.

Nach einigen Wochen bat mich meine Frau dringend, mir wieder einen Rennwagen zu bauen, es sei mit mir zu Hause wegen meiner schlechten Laune nicht mehr auszuhalten. Auf diesen Anstoß hatte ich nur gewartet, ein Gespräch mit Thaßler eröffnete mir die Möglichkeit, den Rahmen und die Achslenker mittels seiner Schweißlehren selbst zu bauen und somit eine ganze Menge gar nicht vorhandenen Geldes zu sparen. Allerdings musste ich vorher bei den geistigen Vätern des MT 77 um Erlaubnis fragen. Zu diesen gehörte neben Ulli Melkus und Hartmut Thaßler, auch ein Herrmann Vogt aus Leipzig, der wohl wesentlichen Anteil an der Konstruktion des MT 77 hatte und der leider in der strittigen Sendung auf VOX mit keiner Silbe erwähnt wurde. Also, in die 80er startete ich mit einem modernen Auto, aber die ganz großen Erfolge stellten sich trotzdem nicht ein. Wenn ich ins Ziel kam, dann eigentlich immer unter den ersten Zehn, mal ein 6., mal ein 7., mehrmals 8. Plätze, bei Bergrennen auch einmal der 2. oder 4. Platz.

1983 hatte ich in Frohburg die schnellste Trainingszeit und stand mit Bernd Kasper in der ersten Startreihe. Leider konnte ich die gute Ausgangsposition nicht nutzen und wurde "nur" Achter. 1984 lief ich in Schleiz auf dem 4. Platz ein, allerdings hatte der Rennleiter auf Grund eines Platzregens mitten in der laufenden Runde das Rennen abgebrochen, so das Heinz Siegert um seinen 1. Platz und ich eben um den 4. Platz "betrogen" wurden. Ulli Melkus, der als 1. gewertet wurde, erklärte allerdings im Siegerinterview dann Heinz zum wahren Sieger!

Manchmal durfte ich auch im Rennen um den Pokal der Sozialistischen Länder mitfahren. Eines dieser Rennen werte ich ganz persönlich als eines meiner besten Rennen. Wir "Gastfahrer" erhielten ja damals nur die Startplätze hinter den Pokalmannschaften, ich hatte somit Platz 34 und stand am Ende des Feldes. Ich hatte das ganze Rennen so zu kämpfen und habe soviel überholt, das ich nicht mal Zeit hatte, die Boxensignale zu beachten. Am Ende hatte ich den 9. Platz errungen und das bei 35 Startern, ich war wahnsinnig stolz. Immerhin hatte ich viele der besten Rennfahrer des Ostblocks hinter mir gelassen!

Sehr hilfreich war zu Beginn der 80er ein Werbevertrag mit ORWO, den ich über die Fachkommission erhielt. Toll war die Berufung als Nationalkader. Die Internationale Lizenz ermöglichte nun auch öfters Starts in der CSSR oder auch in Polen und Ungarn. Lothar Reschke war meistens Delegationsleiter, ein warmherziger liebenswerter Mensch, dem jegliches "Funktionärsgehabe" völlig fremd war. Wegen des berühmten Autogramms von Jochen Maas auf Maria Melkus spärlich bedeckten Busens wurde der arme Lothar dann auch noch für längere Zeit von den obrigkeitshörigen ADMV- Funktionären als Delegationsleiter gesperrt und Ulli musste sich vor allen Fahrern erniedrigen und sich für das angebliche Fehlverhalten seiner lebenslustigen Frau entschuldigen.

1983 begann die Zeit der getunten Motoren. War der Formelsport bis dahin auf Grund der seriennahen Motoren noch relativ erschwinglich und garantierte spannende Rennen, in denen manchmal bis zu fünf Fahrer bis zur letzten Kurve um den Sieg kämpften, spielten jetzt vor allem die technischen und damit auch finanziellen Möglichkeiten die entscheidende Rolle. Bernd Kasper verdiente sich mit den von ihm entwickelten Schlepphebeln eine goldene Nase. Trotzdem wurde manch einer um eine gute Platzierung gebracht, da die Hebel vom Ventil sprangen oder manchmal auch brachen. Später wurden auch noch Ventile, Verdichtung und Nockenwelle freigegeben, es wurden Kurbelwellen erleichtert, Pleuel poliert und Vergaser aufgebohrt. Die ganze Sache wurde aufwendig und teuer, die technischen Ausfälle häuften sich und manch einer verspritzte sein, mit 1:8 teuer eingetauschtes, Westgeld in Form von Castrol-Nebel auf die Piste. Als Rennfahrer war man ständig auf der Jagd nach Lagerschalen, Kolben und Ringen, Kopfdichtungen usw., alles Dinge, auf die der normale Lada-Fahrer monatelang warten mussten und die wir zu Hauf´ auf den Rennstrecken verheizten. Aus meiner Sicht eine totale Fehlentscheidung!

Um endlich mal wieder ganz vorn mitfahren zu können, bestellte ich bei Ulli Melkus einen kompletten Motor. Er wollte anfangs nicht, aber da er von mir einen MT-Rahmen brauchte, dessen Herstellung ich mittlerweile übernommen hatte, wurden wir uns einig. Ich lieferte die Teile nach Dresden und erhielt einige Wochen später den getunten Motor. Der neue Motor hielt zum Frühjahrestraining in Schleiz genau vom Vorstart bis zum Buchhübel, dann war er hinüber!

Man hatte in Dresden vergessen, den Zylinderkopf richtig anzuziehen!

Da Ulli zu den Pokalrennen fuhr und keine Zeit hatte, habe ich den Motor wieder selbst repariert. Zum Rödertalrennen konnte ich damit sogar mal gewinnen, aber auch dieser Motor ging ständig kaputt, immer wieder brannte die Kopfdichtung durch. Erst später erfuhr ich, das mein so teuer gekaufter Motor auch als Versuchskaninchen für die Entwicklung einer elektronischen Zündung missbraucht worden war. In der Folge baute ich dann meine Motoren lieber wieder selbst.

Da ich persönlich keinen Zugang zu Westgeld hatte und das Betteln bei ausländischen Fahrern um ein paar Liter Castrol mir zuwider war, musste ich oft mit Lützgendorfer MR 33 fahren, was mir sehr häufig Lagerschäden einbrachte. So hatte ich 1988 in jedem Rennen einen technischen Defekt oder einen Unfall, so dass ich am Jahresende keine Punkte eingefahren hatte. In den vergangenen Jahren in der Meisterschaft meist immer im guten Mittelfeld platziert und immer im Besitz einer Internationalen Lizenz, traf mich fast der Schlag, als mir die Fachkommission mitteilte, ich werde für 1989 in die LK II zurückgestuft. Andere, die auch keine Punkte hatten, weil sie teilweise gar nicht zu den Rennen angetreten waren, waren von dieser Entscheidung nicht betroffen. Eine Beschwerde meinerseits in Berlin im Präsidium des ADMV führte zu einer fruchtlosen Aussprache mit einigen Mitgliedern der Fachkommission. Sie bestanden auf ihrer Entscheidung, selbst meine ausgezeichnete Nachwuchsarbeit als Sektionsleiter Rennsport in meinem Heimatclub half mir nicht.

Immerhin hatten mehrere junge Fahrer aus meinem Club im Vorjahr die LK II regelrecht dominiert, Frank Thalmann, Jens Smollich, Jens-Dieter Maik und Steffen Göpel waren von mir angelernt worden, sogar einige Theoriestunden hatte ich mit ihnen abgehalten, z.T. die Motoren hergerichtet, vor jedem Rennen mit ihnen die Strecke abgelaufen oder abgefahren und ihnen meist die Übersetzungen und Fahrwerke eingestellt. Alle vier hatten bei ihrem ersten Rennen in Most die ersten vier Plätze belegt und hatten später auf Anhieb den Sprung in die LK I geschafft, aber die Herren Funktionäre zeigten sich unbeeindruckt. Irgendwem musste ich versehentlich auf die Zehen getreten sein, anders kann ich mir die damalige Entscheidung nicht erklären. Voller Wut im Bauch auf die Herren Funktionäre musste ich mich beugen und in die Leistungsklasse II absteigen!

Viele meiner Freunde rieten mir damals aufzuhören und alles hinzuschmeißen, aber ich dachte gar nicht daran, vielmehr wollte ich es "Denen" schon noch zeigen!

Da in der LK II mit Serienmotoren gefahren wurde, musste ein solcher gebaut werden. Ein großes Problem war die Beschaffung einer Nockenwelle. Zugelassen waren nur Original Teile, aber es gab nur Nockenwellen aus der Konsumgüterindustrie eines DDR-Betriebes. Auf Weisung unseres Kombinatsdirektors erhielt ich dann eine Original Nockenwelle aus der LVO-Reserve der PKW-Instandsetzung (LVO=Landesverteidigungsordnung).

Die Rennen 1989 in der LK II waren ganz lustig, ich habe am Auto fast nicht bauen müssen und bin das ganze Jahr mit der Übersetzung von Frohburg 1988 gefahren, für den Sachsenring passte die einigermaßen und ich konnte gewinnen. Bei den Bergrennen reichte es auch fürs Treppchen und in Schleiz hatte ich, an erster Stelle liegend, in der letzten Runde am Lug ins Land großes Pech. Beim Anbremsen brach mir eine vordere Achsstrebe und ich knallte in den Gartenzaun. In Frohburg verspielte ich durch einen unnötigen "Dreher" in der letzten Kurve vor dem Ziel die Führung. Mit zwei Strohballen auf dem Auto reichte es dann noch für den dritten Platz!

Richtig freuen konnte ich mich über diese Erfolge nicht, aber eine kleine Genugtuung war, das die Herren Funktionäre, die mich sozusagen degradiert hatten, mir dann immerhin gratulieren mussten. Albert Gärtner murmelte sogar mal hinter seiner Zigarre: "Gelernt ist gelernt, wir haben wohl doch etwas falsch gemacht".

So wurde ich für das Jahr 1990 wieder in die Leistungsklasse I hochgestuft, was allerdings keine wesentliche Bedeutung mehr haben sollte. Die Wende hatte das Ende der DDR eingeläutet, aber auch das Ende des ostdeutschen Motorsports kündigte sich bereits an.



In Schleiz war für uns fast kein Platz mehr, das Fahrerlager war voll mit Gebrauchtwagenhändlern aus dem Westen, es fuhren neue Klassen und die Trabantfahrer streikten, da sie in Schleiz in Zukunft nicht mehr starten sollten. Auch bei uns fuhr der erste "Wessi" mit, Chris Vogler, ein netter Kerl, der sich wohltuend von so vielen anderen unterschied, die man ja mittlerweile auch schon kennen gelernt hatte. Und wir starteten im Westen, Hockenheim, Nürburgring, Wunsdorf, noch mit DDR-Mark in der Tasche. Aber viele voller Begeisterung, ob der tollen Möglichkeiten, die sich plötzlich zu ergeben schienen. Irgendwann im Sommer trafen wir uns in Leipzig, um über ein neues technisches Reglement zu beraten. Viele träumten von 4-Ventilern, Einspritzmotoren und ähnlichen, ich warnte vor den Kosten und schlug einen Rückbau zu mehr Seriennähe vor, leider vergeblich. Zu groß waren die Erwartungen auf die unbegrenzten Möglichkeiten, noch wollte keiner wahrhaben, dass das Ende unmittelbar bevor stand. Während Heinz Siegert im Frühjahr am Hockenheim noch von großer Karriere träumte und den Blaupunkt-Porsche in die Leitplanke knallte, wurden zu Hause bereits die ersten Kündigungsschreiben formuliert.

Die Währungsunion besiegelte dann das Ende der DDR-Wirtschaft und damit auch das Ende des DDR-Motorsports, der es in den vergangenen Jahren trotz aller Probleme zu einer recht beachtlichen Blüte gebracht hatte. Die Sponsoren wurden "abgewickelt". Viele der ehemaligen Fahrer mussten sich eine neue Existenz schaffen, fast alle sich ihr Leben völlig neu einrichten. Da blieb für den Motorsport keine Zeit und oftmals kein Geld, viele hängten den Helm an den Nagel.

Dem Dresdner Lutz Blütchen ist es zu danken, das wir unsere Autos nicht alle sofort in die Ecke stellen mussten. Mit der Gründung einer eigenen Serie unter dem Namen Formel EURO starteten die Ossis nochmals durch, zu einigen Fahrern aus der alten Gilde kamen neue dazu. Ich hatte 1990 eine Fahrschule eröffnet, die lief recht gut und somit hatte ich die Mittel, mich in die Formel EURO einzuschreiben. So bin ich von 1991 bis 1994 noch viele schöne Rennen in ganz Europa gefahren. Mit dem Kauf eines Zylinderkopfes 1991 in Brno von einem russischen Fahrer und dem nun vorhandenen gutem Motorenöl gab es keine technischen Ausfälle mehr, so dass die Rennen für mich recht erfolgreich verliefen. So siegte ich mehrmals in Brno, in Most, in Poznan, aber auch auf dem Hockenheimring und am Nürburgring. Aus dieser Zeit stehen heute über 20 Pokale für vordere Plätze in meiner Fahrschule und ich bin recht stolz darauf.

Ende 1994 war dann allerdings auch für mich Schluss. Die ständig steigenden Kosten vertrugen sich nicht mehr mit den sinkenden Einnahmen meiner Fahrschule, zumal auch noch die monatlichen Hypothekenzahlungen meines fertig gestellten Eigenheimes dazu kamen. So musste auch ich, schweren Herzens, nach 24 Jahren aktiven Motorrennsports meinen Helm an den berühmten Nagel hängen. Heute betreibe ich meine Fahrschule und einen kleinen Taxibetrieb, baue in meiner Freizeit Flugmodelle und habe mir mit der Privatpilotenlizenz meinen Jugendtraum erfüllt. Außerdem fahre ich gerne Motorrad und habe begonnen, meinen Rennwagen zu restaurieren. Ich bin noch immer glücklich mit meiner ersten Frau verheiratet und habe ich einen 22-jährigen Sohn, der liebend gerne Autorennen fahren möchte und dem leider als Azubi das Geld dazu fehlt.

Während des Schreibens dieser Zeilen, dem Aussuchen der Fotos und dem Stöbern in alten Zeitungen und Programmen kommen immer neue Gedanken und Erinnerungen. Erst nebelhaft und verschwommen, aber dann immer klarer werdend und oft scheint es dann, es wäre erst gestern gewesen. Wenn ich die Augen schließe und an den Sachsenring denke, sehe ich den im Morgentau glitzernden Grasstreifen neben der Abfahrt vom Heiteren Blick, ich vermeine den Knall zu hören, mit dem bei 230 die hintere Achsstrebe brach und fühle wieder die tödliche Ruhe, die mich erfasst hatte, als mein Auto schlagartig rückwärts über das nasse Gras rutschte und ich dachte: 'Gleich kommt der Wald, es tut sehr weh und dann ist alles vorbei!' Zum meinem Glück, nach schier unendlich erscheinender Zeit, kam das Auto zum Stehen. Ich war über 100 m rückwärts gerutscht, immer parallel zur Fahrbahn auf dem linken schmalen Streifen Gras zwischen Fahrbahn und Wald; wie herrlich schmeckte die Zigarette, die mir ein Streckenposten gab. 

Nicht alle hatten solches Glück, zwei Jahre später verunglückte, fast an gleicher Stelle, der Sportfreund Tatarczyk tödlich. Ich erinnere mich auch an ein Frühstück 1977 im Fahrerlager von Frohburg. Ich saß mit Matthias Schäfer zusammen am Tisch, wir waren guter Dinge und freuten uns auf die Rennen - zwei Stunden später verunfallte er tödlich vor meinen Augen!

Viel öfter denke ich aber an die Hochstimmung, die mich schon Tage vor einem Rennen befiel, an die Gespräche im Fahrerlager, an die Runden langen Kämpfe mit "Manne" Kuhn, mit H.J. Vogel, mit Jürgen Meißner, mit Gerhard Friedrich und all den anderen, die gleich mir, nicht unbedingt zu den ganz Großen zählten, die aber genau so verbissen um einen guten Mittelfeldplatz zu kämpften wussten, wie die vorderen um den Sieg. Ich erinnere mich gern an Frieder Kramer, der beim Bergrennen nach der Zieldurchfahrt oft bei mir eine F6 schnurrte, an ein Rennen 1984 in Ostrava, zu dem die Österreicher nicht kamen, weil gerade der Atomunfall in Tschernobyl war, an ein Rennen am Heuberg, bei dem es so regnete, dass ich keinen trockenen Faden mehr am Leibe hatte und am Abend dann im Schlafanzug nach Hause fuhr, nicht ohne in diesem Aufzug in einer Kneipe Rast gemacht zu haben.

Ich denke an das Glücksgefühl, das ich hatte, wenn ich einen guten Platz belegte, ich sehe die zig-tausenden Zuschauer, die in der Auslaufrunde auch noch dem Letzten zujubelten und ich fühle den Ärger, wenn in guter Position im Rennen die Technik versagte oder ein Funktionär mich nicht mit zum Pokalrennen starten ließ. Ich sehe den Wagen von Heiner Lindner in Schleiz kurz nach dem Start hochkant vor mir über die Strecke fliegen und ich sehe das brennende Benzin in meinem Auto bei einem Training am Sachsenring, weil ein Messingstutzen aus dem Vergaser flog. Ich höre die Motoren aufheulen kurz vor dem Ampelgrün und ich höre die Siegeshymne, die leider für mich viel zu selten gespielt wurde.

So viele Erinnerungen, man könnte ein Buch schreiben, doch wer würde es schon lesen. Heute, in einer Zeit, wo oft der 2. schon als Verlierer gilt, sollten wir uns die Erinnerung an unsere Zeit bewahren. Statistiken sind nachzulesen, aber Gefühle und Stimmungen finden sich in keinem Archiv. Deshalb von mir der Versuch an dieser Stelle, einige Erinnerungen zu formulieren, Erinnerungen, wie sie in ähnlicher Form wohl viele ehemalige Fahrer der DDR haben könnten.

Wir sollten diese Zeit in der Erinnerung behalten aber auch nicht idealisieren - es war keine heile Welt, es gab genügend Probleme, es gab Unfairness, es gab gepanschtes Benzin, es gab keine Reifen, es gab Geschäftemacher, es gab Ungerechtigkeiten und Zoff mit Funktionären und es gab manchmal tolle Fernsehübertragungen, es gab wenig Ersatzteile und es gab gute Beziehungen, es gab Fahrer, die im Ziel vor Wut auf das Auto des Gegners sprangen und hinterher wieder Freunde waren und es gab Gewinner und Verlierer, es gab manchmal Trauer, aber viel mehr Spaß und Freude und vor allem gab es viele, viele tolle Rennen. Natürlich wurde auch betrogen, schon 1976 waren zwei Spitzenfahrer wegen illegalem Benzin gesperrt. Von Manchen wurden Düsenwerte gefahren, mit denen ein Lada-Serienmotor den Benzin unverbrannt aus dem Auspuff gespuckt hätte. Es gab begnadete Rennfahrer, die auch zugleich ausgekochte Schlitzohren waren und es mag auch Intrigen gegeben haben, aber ganz sicher gab es in der DDR andere Möglichkeiten, einem Kombinatsdirektor das übermäßige Sponsoring auszutreiben als die, seinen Spitzenfahrern gepanschtes Benzin unterzujubeln.

Natürlich gab es auch immer die STASI, die war immer dabei, aber, lieber Lutz Blütchen, 1990 hatte die sicher andere Sorgen, als sich um Ulli Melkus zu kümmern (siehe in dieser HP: "Historie ab 1950", Artikel von Lutz Blütchen).

Wir sollten nicht spekulieren, was, wie gewesen wäre, wenn...

Es ist so gewesen, wie es war und es ist müßig darüber nachzudenken, wie sich der Rennsport im Osten unter anderen Bedingungen entwickelt hätte. Es gab in der DDR einige begnadete Rennfahrer, die vielleicht auch das Talent zum Weltmeister hatten, aber es ist fraglich, ob sie in einer Gesellschaft, wo nur das Geld Maß aller Dinge ist, je diese Chance bekommen hätten.

Jeder muss für sich entscheiden, wie er diese Jahre in sein Leben einordnet. Für mich jedenfalls waren es die schönsten Jahre meines Lebens! Für uns alle, denke ich, war es eine große Zeit, auch wenn sie in der Geschichte des deutschen Motorsports nur eine kleine Fußnote zu werden droht.

Voller Stolz kann ich sagen, ich bin dabei gewesen, nicht mehr, aber auch nicht weniger!