Die Arbeit der Staatssicherheit hinter dem Rennzirkus


Hinweis: Die nachfolgen Information werden je nach Akteneinsicht und Recherchergebnissen bei der BStU vervollständigt und nach Priorität hier veröffentlicht. Bisher liegen etwa 400 Seiten Material vor.

Autor: Jürgen Meißner

Die Arbeit der Staatsorgane in Zusammenhang dieser Homepage war dadurch gekennzeichnet, dass sie für die uneingeschränkte Wahrung der "Sicherheit" der Errungenschaften des Sozialismus zuständig war. Damit war gemeint, alles das zu unterdrücken, was dem Ansehen der sozialistischen Wertegemeinschaft schadete. Massenveranstaltungen wie der Motorsport - eigentlich ein kapitalistisches Wertegut - waren geeignet, dem Drang nach Freiheit eine Basis zu verleihen. Dies konnte sich in Meinungsäußerungen gegen den Staat entladen.

Da gerade ab Mitte der 80er Jahre, die "Westmedien" immer mehr vom "Ost-Motorsport" berichteten, konnte dies schnell benutzt werden, um eine Plattform für den Unwillen gegenüber dem DDR-Staat zu schaffen. Somit waren jegliche Demonstrationen der gegenteiligen Meinungsäußerung zu unterdrücken.

Diese Unterdrückung hatte viele Gesichter.

Einmal war davon auszugehen, dass die Sportler und ihr Umfeld als Meinungsbildner einer Sportart, die Freiheit verhieß, im Visier der Beobachtungen standen. Dann waren die in der Mehrheit befindlichen Motorsportfans ein dringendes Beobachtungsobjekt. Sie kamen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und nutzten nicht selten diese Massenveranstaltungen, sich zu treffen, auszutauschen und ihre Gemeinsamkeit von Staatsignoranz unter sich auszuleben. Dies war den Staatsorganen bekannt und es war somit im Ansatz zu unterdrücken - zumindest soweit, wie dies möglich war und kein mediales Aufsehen erzeugte.

Was die erste Seite der Beobachtung und Beeinflussung von Sportlern im DDR-Regime betrifft, so war dies bekannt und nichts Besonders. Aus den westlichen Medien wurden immer wieder Fälle von Eingriffen der Staatssicherheit in das Leben der Sportler und Menschen berichtet. Wer also im Brennpunkt eines Ereignisses stand ging davon aus, dass er ein besonderes Interesse bei den Staatsorganen weckte. So wie in den Leistungssportdisziplinen der olympischen Sportarten belauscht, bespitzelt und denunziert wurde, so musste man davon ausgehen, dass dies auch im Motorsport so war.

Nahrung für solche Erhebungen gaben die sozialen Herkünfte der Rennfahrer. Der überwiegende Teil der Fahrer stammten aus selbständigen Handwerksbetrieben, die dem Einfluss der politischen Einflussnahme weitestgehend entzogen waren. Andere stammten aus der sogenannten Arbeiterklasse, eine Schicht, die für ihre Meinungsoffenheit und Systemkritik bekannt war. Ein kleiner Teil waren Angestellte in sozialistischen Betrieben, die zwar in der Regel der politischen Agitation ausgesetzt waren, sich aber durch Passivität mit dem Staat arrangierten.

Somit blieb der Motorsport als Außenseiter mit seinen Aktiven immer ein "Dorn" im Auge des Staatsregimes. Er wurde jedoch geduldet, da seine Zuschauerzahlen nach dem Fußball die Zweithöchsten waren. Durch horrende Einnahmen aus den Zuschauerzahlen, bis zu 300.000 an einem Wochenende, die mehrheitlich in die Kassen des Leistungssports olympischer Disziplinen flossen, gut kontrollierbare Menschenmengen und sog. ruhender Verkehr waren diese Veranstaltungen kein schlechter Deal für staatspolitische Interessen.

Woher nun die "Gefahr" kam, wer wen bespitzelte und wodurch Informationen erworben wurden, war zur DDR-Zeit ein Geheimnis, dessen subjektiver Inhalt flüsternd verbreitet wurde. Die aufgrund ihrer Funktion bekannten Staatsorgane, wie Polizei, Staatssicherheit und Sicherheitsfunktionäre waren nicht die Gefahr. Sie waren bekannt und denen gegenüber war es möglich, sich in seiner Meinungsäußerung einzurichten. Die Gefahr waren jene, die beauftragt wurden oder sich der Vorteile wegen beauftragen ließen. Diese erkannte man nicht, sie waren nur zu mutmaßen. Dies ließ nun den Spekulationen Tür und Tor offen. Man kann sich vorstellen, dass diese Spekulationen in der Regel der Rechtfertigung eigener Interessen dienten.

Wer schon zu DDR-Zeiten ein "Westauto", wie einen Porsche oder BMW fuhr, konnte schon in den Verdacht einer sogenannten "Beziehung" zur Staatssicherheit kommen und wurde als möglicher Spitzel angesehen. Auch der Neid untereinander war ein geeignetes Mittel, Sportler von anderen zu trennen, sozusagen "kalt" zu stellen. Manch einer geriet in den Verdacht Informant zu sein, weil seine Mutter oder Vater im "Westen" lebte und er sie, weil sie Rentner waren, besuchen durfte.



Eine zu enge Freundschaft zu Ulli Melkus konnte bei Neidern schon die Meinung erzeugen, den Auftrag zu haben, diesen grandiosen Sportler zu bespitzeln. Ulli Melkus war bei der Konfrontation mit diesen Themen äußerst gelassen. Er scheute sich zu keiner Zeit offen seine Meinung zu sagen, er ließ sich nicht verbiegen!

Zu diesem Thema der Bespitzelung könnte man viele Geschichten erzählen, die ebenso unglaublich wie absurd für Außenseiter klingen mögen. Sie waren aber Tatsache und beeinflussten den politischen Zusammenhalt der Aktiven wie Funktionäre.

Diese Tatsachen aufzuklären oder zu rechtfertigen war damals nicht möglich und lässt sich heute, trotz Aufarbeitung, nicht endgültig klären. Dennoch besteht eine Chance, dem Wirrwarr ein Gesicht zu geben.

Angeregt durch die Einsicht in meine Stasiakte und die Anfrage, ob ich in der Akte von Ulli Melkus erwähnt wurde, habe ich im April 2002 einen Antrag an den "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR" gestellt, ein Forschungsthema zu eröffnen (Antrag siehe auf dieser Seite unten). Diesem Antrag wurde entsprochen. Seit dieser Zeit habe ich in hunderte Seiten Akten einsehen können, die sich mit der Sicherheit rund um den Rennsport befassten. Aufgrund der Rechtslage sind Namen, sofern sie keine hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit waren, ausgeschwärzt, also nicht lesbar. So lassen sich keine Zusammenhänge auf Personen im Sportler- und Funktionärskreis ziehen. Hier ist es notwendig, dass sich Betroffene selbst ihre Akteneinsicht verschaffen, so wie ich. Damit lassen sich erwähnte informelle Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes (IM's) namentlich ermitteln.

Nach Fertigstellung dieser aktuellen Homepage sollen je nach Ereigniszeitraum zu den u.g. Themen Dokumente veröffentlicht werden.


Themenkatalog des vorliegenden Aktenmaterials (hier nur auszugsweise):

  • Sitzung des Büros des ADMV der DDR über Maßnahmen zur Vorbereitung der Motorrad-WM 1989 in Brno/CSSR

  • Information der Hauptabteilung XX/3 zum Formel1-Rennen in Budapest 1985

  • Politisch-operative Sicherung des Int. Sachsenringrennen 1988 durch IM Kurt, Hammer, Aikido, Otto

  • Sicherungskonzept des Sachsenringrennens 1981 durch Mitarbeiter des MfS

  • Protokoll der Dienstversammlung zur Einweisung in den politisch-operativen Sicherungseinsatz zum 29. Internationalen Frohburger Dreieckrennen / Kreisdienststelle Geithain

  • Kräfteeinsatz zum 29. Internationalen Frohburger Dreieckrennen / Bezirksverwaltung Leipzig

  • Problemkatalog des ADMV zur Aussprache mit Manfred Ewald / ADMV der DDR

  • Niederschriften von Gesprächen zwischen ADMV und DTSB-Vorsitzenden Ewald 1988 / ADMV

  • Einsatz von Wettkampftechnik im ADMV der DDR bei motorsportlichen Veranstaltungen 1988

  • Einsatzplan zur politisch-operativen Sicherung des 18. Zentralen Trainings auf dem Schleizer Dreieck 1989, Treffen historischer Rennfahrzeuge, AWO-Treffen / Kreisdienststelle Schleiz

  • Sicherungseinsatz zum Sachsenringrennen 1986 / Zentraler Operativstab

  • Lagebericht zum Schleizer Dreieckrennen 1985 / Zentraler Operativstab

  • Ergebnisse der politisch-operativen Sicherung des 51. Internationalen Schleizer Dreieckrennen 1984 / Zentraler Operativstab

    und so weiter...


Antrag von Jürgen Meißner zur Eröffnung eines Forschungsthemas vom 12.04.2002