Frieder Rädlein


Heimatblatt Weixdorf

Internationaler Autobahnspinne Wettbewerb

Zur Erinnerung an den Weixdorfer Europameister Ewald Kluge und dessen 110. Geburtstag und die Dresdner Autobahnspinne fand am 04.-05. Mai 2019 an der alten Moritzburger Straße das Weixdorfer Gleichmäßigkeitsfahrten historischer Rennmaschinen statt. Im Zuge der Ehrung Ewald Kluges wurde im Weixdorfer Heimatblatt über die Rennfahrerlegende Frieder Rädlein, als ehemaliger sehr erfolgreicher Rennfahrer auf der Autobahnspinne in Dresden, umfassend berichtet:

 

Autoren: Ingo Fritzsche und Manfred Neises


„Mein Vorbild ist Ewald Kluge…“

sagte Frieder (eigentlich Karl-Friedrich) Rädlein, der später erfolgreich Autorennen fuhr. Er wurde am 16. Nov. 1935 in Weixdorf geboren. In der Weixdorfer Grundschule interessierte sich er besonders für Physik und Mechanik. Die Schüler trafen sich des Öfteren am heutigen Platz des Friedens mit ihren Fahrrädern. Spielend eiferten sie hier ihrem Idol „Ewald“ nach, bis der Dorfpolizist Koch dies unterband. Frieder versuchte schon mit 14 Jahren verschiedenen Motorrädern deren Geheimnisse zu entlocken: DKW E200 (mit Keilriemen, DKW Luxus 200 (wegen ihres roten Tanks trug sie den Spitznamen Blutblase) oder Wanderer 200 (1928, Viertakter, kopfgesteuert), das war seine „Welt“.

Bei der Firma Kurt Stein (heute S. Sommerschuh) in Weixdorf wurden unter mühseligen Umständen Autos repariert, wobei Frieder oft mit half. Stein holte in der schweren Zeit nach dem II. Weltkrieg KFZ-Teile von überall her, auch aus den Ruinen von Dresden. Ebenso fanden Maschinenteile und Aggregate, für den weiteren Ausbau seiner Werkstatt, den Weg zu ihm. K. Stein hatte „Goldene Hände“, was er anfasste gelang. Aus vielen schrottreifen Motorrädern und Autos wurden wieder solche geschaffen, mit denen man fahren konnte. Hier konnte sich Frieder Fertig- und Fähigkeiten aneignen, die er in seinem späteren Leben gut gebrauchen konnte - denn sein Wunsch war es Kraftfahrzeugschlosser zu werden, was mit seinem Idol „Ewald“ ganz sicherlich zusammenhing.

Bei Rudolf Talkenberger, einem selbständigen Schlossermeister auf der Königsbrücker Landstraße in Weixdorf, lernte Frieder für sein späteres Berufsleben sehr viel. Talkenberger war ein handwerklicher Experte, besonders auf dem Gebiet der Schweißarbeiten. Er brachte vieles und auch oft das Unmöglich scheinende eben doch fertig. Bei ihm war der richtige Ort für Frieder der später einmal feststellte, dass Talkenberger sein bester Lehrmeister war. Sein elterliches Grundstück Dr.-Külz-Straße 8 (heute Paul-Wicke-Str.) war der Treffpunkt vieler Motorsportfreunde, Bastelfreunden und Ewald-Kluge-Verehrern. Auch Helmut Stübner gehörte dazu und mit ihm wollte er im Grundstück ein Motorrad aufbauen, wozu natürlich auch Krach, Qualm und Benzingestank gehörten. Das natürlich sehr zum Leidwesen seiner Mutter und seiner Schwester Renate, die beide dafür wenig Verständnis zeigten. Vor allem dann, wenn das Wohnzimmer zur Motorenwerkstatt wurde. Es kam dann schon mal vor, dass Teile eines Motors durchs offene Fenster flogen und Frieder mit Helmut diese im Vorgarten wieder zusammensuchen musste. Aber trotz aller Widrigkeiten, Mutter Rädlein war eine patente, zu ihrem Sohn stehende energische Frau.

Logisch fing Frieder eine Lehre bei „Mercedes Benz – Reparaturwerk in Treuhand des Landes Sachsen“ (später VEB KFZ-Technik) in der Dresdner Albertstadt (Industriegelände) an und beendete diese erfolgreich. Frieder war Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr in Weixdorf. Diese war damals noch auf der Königsbrücker Straße, dem abschüssigen Teil der Straße zwischen Schulstraße (heute „Am Zollhaus“) und dem heutigem Lidl-Parkplatz, stationiert. Bei einem Einsatz musste die ausrückende Feuerwehr, egal wo der Einsatzort in Weixdorf oder anderswo war, erst einmal bergab in Richtung Schulstraße fahren, damit das Auto ansprang. Da kam so ein „fischelanter“ Mann wie Frieder Rädlein gerade recht. Frieder hatte aber zu dieser Zeit noch keinen Führerschein, was wohl kaum jemand wusste. 1955 musste der Feuerwehrwagen zur Inspektion auf die Dresdner Hauptwache in der Louisenstraße gefahren werden. Frieder übernahm, als der zuständige Mechaniker, selbstverständlich die Fuhre dorthin. Bei der Inspektion wurde festgestellt, dass der Fahrer keine Fahrerlaubnis hatte! Das gab natürlich einen großen Skandal. Zu seinem Glück aber wechselte Frieder nach Ingolstadt wo er mit seinem großen Vorbild Ewald Kluge zusammentraf. Nach ca. einem dreiviertel Jahr ging es für ihn wieder zurück nach Dresden. Über die Angelegenheit mit seiner Fahrerlaubnis war glücklicherweise „Gras gewachsen“.

Nach der Lehre arbeitete Frieder in der Autowerkstatt der Deutschen Post auf der Zwickauer Straße in Dresden. Dort lernte er Heinz Melkus kennen. Einem Mann, der unbedingt Autorennen fahren wollte und auch alles dafür tat. Melkus tüftelte und konstruierte an Motor, Antrieb, Fahrwerk, Karosserie usw. für ein (sein) Rennauto. Da hatten sich die beiden Richtigen gefunden. Es begann eine gemeinsame Zeit zwischen Melkus und Rädlein, die Jahrzehnte währen sollte. Hier sollten sich die Lehrstunden Frieder's bei R. Talkenberger und K. Stein und seine Basteleien im elterlichen Grundstück besonders auszahlen.

Aktiv im Motorrad-Rennsport wurde Frieder 1957. Er gehörte dieser Zeit dem Motorsport-Club Post Dresden an, als er seine erste Rennmaschine, eine 250 cm³ Zwei-Zylinder -  Zweitakter mit Drehschieber, erwarb.
Unter anderem trat er auch auf der Autohahnspinne Dresden-Hellerau an. Die besagten Blumentöpfe konnte er damit aber nicht gewinnen und merkte bald, dass man „Nicht nur Trompete-Blasen soll, sondern auch auf die Noten gucken muss“ wie Ewald Kluge einmal sagte.

Sein Debüt als Auto-Rennfahrer gab er 1958 in der damaligen Formel 3 (bis 500 cm³). Ein Jahr später gründete der Internationale Motorsportverband die neue Formel Junior (1000 cm3  mit mind. 360 kg - oder 1100 cm3 mit mind. 400 kg). Das war auch der Beginn der Ära des Melkus-Wartburg. Ein erster Sieg in dieser Klasse folgte 1960 in Bernau. In diesem Jahr belegte er in der Gesamtwertung der Saison Platz 2 hinter Heinz Melkus. In den Jahren 1960 bis 1962 bestritt er auch acht Rennen in der deutschen Formel Junior.



Ab 1965 gehörte er dem Motorsport-Club Lockwitzgrund an und war bis 1970 auch Mitglied der DDR-Nationalmannschaft. Die Rennsaison 1969 bescherte ihm den ersten DDR-Meistertitel in der Formel 3, sein erster großer Erfolg! Diese Meisterschaft war ein „Kopf an Kopf“ Rennen. So kam es am 14. September auf der Spinne (Dresden-Hellerau) zu einem dramatischen Entscheidungslauf. An den Start gingen Heinz Melkus (18 Punkte), Peter Findeisen (13), Uli Melkus, der Sohn von Heinz Melkus (12) und Frieder Rädlein (9 Punkte). Alle vier aus einem Rennstall! Im Stichlauf gab es für den Sieger 9 und für den Zweitplatzierten 6 Punkte. Im Rennen schied Heinz Melkus im letzten Drittel wegen Motorschaden aus. Uli Melkus fuhr auf Platz 2, aber Frieder Rädlein gewann. So kam es kurioserweise zu einem Punktgleichstand bei drei Fahrern: Heinz und Uli Melkus, sowie Frieder Rädlein jeweils 18 Punkte. Da Rädlein aber den Stichlauf gewonnen hatte war er DDR-Meister. Nach dem Rennen sagte er zu einem Reporter „Eigentlich wurde es ja auch einmal Zeit. Seit elf Jahren bin ich nun schon dabei und fünfmal war ich „Vize“, zuletzt 1967“.

In den Jahren 1970 bis 1972 wurde er dreimal DDR-Meister auf dem Melkus-Rennwagen RS 1000. Zu seiner Fahrweise äußerte sich Frieder Rädlein zum Ende seiner erfolgreichen Laufbahn einmal wie folgt: „Wenn der Pulk auf eine Kurve zurast, von der ich wusste, dass da nicht zwei gleichzeitig durchpassen, versuche ich nicht auf Biegen oder Brechen der Erste zu sein. Ich will ja aus dieser Kurve wieder rauskommen und sage mir, mach deinen Überholversuch lieber an einer günstigeren Stelle – wartest lieber eine bessere Gelegenheit ab. Früher ging ich forscher ran, landete auch mal auf einer Wiese. Da stand ich dann da und überlegte mir erst hinterher, was ich doch für einen Mist gebaut habe. Heute setzt die die Überlegung darüber vor der Handlung ein. Ich bin fest überzeugt, dass das vom Prinzip her richtig ist“.

Frieder Rädlein fuhr Rennen u. a. auf folgenden Pisten: Bernau, Bautzen, Dresden-Hellerau (Spinne), Halle a. d. Saale, Schleiz, Sachsenring, Brünn (CSR) Solitude (Stuttgart), Noris-Ring (Nürnberg), Mostodrom (CSR) und Roßfeld (Berchtesgaden).

Motorsportler sind schon ein besonderes „Völkchen“ und halten, trotz aller Konkurrenz zusammen und helfen sich auch gegenseitig. Es gab und gibt aber auch helfende Hände bei Notsituationen außerhalb des Rennsports. Auf einer Heimfahrt von einem Rennen in Brünn hatte das „Schleppfahrzeug“ eine nicht zu behebende Panne. Die Melkus-Mannschaft hatte gerade Lobositz passiert, als an der ersten richtigen Steigung des Böhmischen Mittelgebirges nichts mehr ging. Da hielt plötzlich ein tschechischer Autobus, dessen Fahrer die Notsituation erkannte. Er wurde sofort aktiv und nahm das Schleppfahrzeug samt angehängten Autotransportwagen an die Anhängekupplung des Busses. So ging die waghalsige Fuhre bis Teplitz. Dort gewann er einen seiner Kollegen, der den Linienbus nach Zinnwald auf den Erzgebirgskamm fuhr. Dieser half unkompliziert in gleicher Weise, hängte den Schleppwagen mit Transporter an seinen Bus und fuhr bis zur Grenze. Von dort organisierte man dann Hilfe aus Dresden.

Frieder Rädlein, gehörte zu jener Rennfahrergeneration, die die Renngeschichte in den 50er und 60er Jahren mit bestimmt haben. Aber sie waren auch die Leidtragenden, als sich Ost und West im Rennsport trennten. Der Osten konzentrierte sich im Formelrennsport nur noch auf Fahrzeuge, die da konstruiert wurden und deren Material aus der „sozialistischen Produktion“ stammte. Aber gerade das forderte Heinz Melkus, Frieder Rädlein, Peter Findeisen u. a. heraus mit Eigenbauten weiter Rennen zu fahren. Heinz Melkus und Hartmut Thaßler entwickelten das Rennauto MT 77, welcher mit sowjetischen Lada-Motoren bestückt war.  Bei der Typenbezeichnung steht das M für Melkus und das T für Thaßler, die 77 für das Entstehungsjahr. Sie faszinierten damit die Zuschauer, waren somit Vorreiter und gaben dem Rennsport ein ostdeutsches Gepräge.

Nachzutragen bleibt noch, dass Frieder Rädlein seine „Benzin-Gene“ auf seine Söhne und Enkel vererbte. Seine Söhne Jürgen, Werner, Matthias und die Enkel sind alle dem Motorsport verbunden. Sein Sohn Jürgen sogar recht erfolgreich in der Formel Ford.



Startphase

Frieder Rädlein mit der Start-Nummer 14

Beste Freunde vor dem Rennen

v. l. n. r.: Peter Findeisen, Frieder Rädlein und Hans Roediger

Melkus gegen Rädlein

Im Kampf und die Plätze: Heinz Melkus vor Frieder Rädlein

1962 Rennen in Bautzen

Stehend am Auto hinten: Karosseriebaumeister, Rudi Thalheim (Weixdorf), Monteur Müller, Frieder Rädlein, Heinz Melkus, Frau Johanna Rädlein. Die Karossen, die auf den Bildern zu sehen sind baute die Fa. Thalheim.