Sicherheitsbügel - das heiße Thema in der Formel


Falsch erhöhter Bügel
Durch die Rekonstruktion meines Rennwagens #89 bin ich mit dem Thema Überrollbügel auf das Wiederholte konfrontiert worden. Heute sehe ich ein, einen Fehler gemacht zu haben, denn ich hätte im Zuge der Metallarbeiten einen richtigen, Reglement-konformen Bügel einsetzen können und müssen.
Der Bügel meines Autos wurde erhöht durch Aufsetzen einer Bügelverlängerung auf den Originalbügel. Und das war und ist nicht regelkonform (siehe Fotos).
 
Bereits im Jahr 1977, der Geburt der MT 77 wurde ab 01.12.1977 verbindlich vorgeschrieben, wie der Bügel auszusehen hatte. Zu beachten ist, dass die vorgegebenen 50 mm von der Helmoberkante zum Überrollbügel gemessen werden, also OHNE Haube!
Und dann im Jahr 1985 wurde in der „Wettkampfbestimmung Anlage zur MSO Nr. 9“ die Form des Bügels klar wiederholt beschrieben und skizziert. In den „Technischen- und Sicherheitsvorschriften der einsitzigen Rennwagen (formelfrei) 1300 Formel Easter wie auch E1600 Formel Mondial“ wurde in der sog. Lubliner Vereinbarung ab 01.01.1989 die Form des Bügels nochmals definiert.
 
Alle diese Dokumente beschrieben den Bügel in gleicher, nicht abweichender Form.
 
In der Anlage zu diesem Artikel sind die Dokumente und die Skizzen zur Montage des Bügels aufgezeigt. Dies Aufzeichnungen wurden der Form halber mit den Regeln aus dem DMSB-Handbuch 2023 – Oranger Teil - Seite 173 ff., Anhang K zum ISG ergänzt. Hier sei der Hinweis erlaubt, dass lt. Skizze K-62 A (Seite 164) die Diagonale an der höchsten Stelle des Überrollbügels zu befestigen ist.
 
Der Rahmen des MT 77 wurde 1977 um die Person Ulli Melkus herum gebaut. Ulli, wie auch die mitwirkenden Rahmenkonstrukteure Küther, Lindner, Kasper u. a. waren nicht größer als 1,80 m. Die Höhe des Bügels wurde so gebaut, dass er in die max. vorgeschriebene Karossenhöhe (sog. Haube) von 800 mm reinpasste. Die MT 77-Karosserie mit dem unter der Haube liegenden Überrollbügel war damals wegen den auf den Rennstrecken herrschenden langen Geraden die Geheimwaffe in Sachen effektiver Windleitung.
 
Weiterhin waren die damaligen Helme in der Ausführung der inneren Dämmung sehr mager aufgebaut. Allein mein Helm von früher zu dem heute FIA-gerechten Kopfschutz bringt eine weitere Höhe von 40 mm mit sich. Soll heißen, wir können nicht durch ein tiefer setzen oder weiter reinrutschen in den Rennwagen die geforderte Höhendifferenz von 50 mm - Helmoberkante zum Überrollbügel - bringen. Achtung nicht Karosserie!!!
Ich selbst war damals 1,81 m groß und bei einer Prüfung um Frühjahrtraining machte der Technische Kommissar schon Zugeständnisse: „Setze Dich doch mal richtig rein!“, was ich tat und schon konnte ich geschmeichelt ein „in etwa-50er-Maß“ bringen.
Als sich Hans-Dieter Kessler 1987 in seinem Rennwagen in der Stadt Hohenstein Ernstthal überschlug, sagte er in der mdr-Sendung Lebensretter: „Mich hat der neue 6-Punkt-Sicherheitsgurt von Jürgen Meißner und meine geringe Körpergröße vor dem Tode gerettet“. Sein Rennwagen lag nach dem Luftflug auf dem Kopf und Kessler hing im Gurt drin.
 
Kurzum: Der Überrollbügel hat aus einem Stück zu bestehen, an dem eine Diagonale, maximal 200 mm unterhalb der höchsten Stelle des Bügels anzubringen ist (Skizzen siehe Anlage).
 
Ca. 10cm sitzt der Fahrer zu hoch - eine tödliche Gefahr!
Warum dann die aufgesetzten Bügel entgegen des Reglements Bestand hatten, ist nicht verbrieft. In den Protokollen zu den jeweiligen Frühjahrestreffen in Dresden jedenfalls ist eine Genehmigung in Form einer Zusatzregelung nicht zu finden.
Es ist zu mutmaßen, dass es geduldet wurde. Zum einen wegen des immer knapper gewordenen Rohrmaterials der entsprechenden Güte und zum anderen wegen des enormen Aufwandes. Um den Bügel in einem fertigen Rennwagen sauber anschweißen zu können, ist es nötig, dass die gesamte Elektrik, die im Längsrohr innen verläuft, rückgebaut werden muss. Am meisten schmerzt, die Karosse oben aufzuschneiden. Ideal ist es weiterhin, den Motor auszubauen und Schottbleche sowie den Tank zu entfernen. Dann muss die Halterung für den Wasserbehälter neu angeschweißt werden. Hat man am Überrollbügen die Bowdenzuganlage für Elektrik und Feuerlöscher befestigt, müssen diese Bleche ebenfalls neu angefertigt werden. Weiterhin sind auch die Rohre der Feuerlöscheinrichtung rückzubauen. Sind die Feuerlöschrohre am Überrollbügel verlötet, dann müssen diese neu befestigt werden. Und nicht zuletzt sollte man sich die Rahmennummer, die meist in der Diagonale unten eingeschlagen wurde, aufheben oder ausgeschnitten an der neuen Diagonale anschweißen.
 
Man hat die Wahl oder auch nicht, machen oder lassen? Die Logik sagt: Einmal den Aufwand wagen, um dann die Sicherheit zu haben, dass man bei möglichen Überschlägen besser geschützt ist. Was nützt es im Rollstuhl zu sitzen und dann zu sagen, ich würde die ca. 170 € für einen Bügel und 100 Stunden Arbeit jetzt gern aufwenden, wenn ich nur wieder laufen könnte…
 
Es ist weiter zu bedenken, dass Versicherungen die Leistungen bei Unfällen verringern können, wenn das Sportfahrzeug nicht regelkonform aufgebaut wurde.
 
Und zuletzt tragen wir dem Reglement Rechnung, was eine richtige Sicherheitsvorrichtung bindend vorschreibt. Und das gilt zumindest seit 1977, also schon für die historischen Rennwagen in der DDR.
 
Weitere Technische Details findet Ihr hier...

Haubenausschnitt am MT 77

Nachfolgend die Skizze im Format DIN A3 für den Hauben-Ausschnitt zum Download.

Dazu ein Hinweis: Wenn Ihr die Skizze verwenden wollt, dann skaliert Euren Drucker so, dass das auf der Skizze eingebrachte Lineal von jeweils 10 cm nach dem Ausdruck eben die 10 cm misst. Ein guter Drucker lässt sich skalieren.


Die Dokumentation zur Form der Sicherheitsbügel

Siehe unten auch als Download.