Getriebe MT 77 und seine Berechnung

Das Getriebe des MT 77 ist eine Eigenkonstruktion, zumindest das Innere. Das Gehäuse stammt vom Wartburg 311. Es wurde gedreht, um die Antriebswellen nach hinten zu bringen. Als Kontakt zum Motor wurde eine Ladakupplungsglocke bearbeitet, um eine Adapterplatte zwischen Gehäuse und Glocke anzubringen.
Bis zum Jahr 1988 wurde international 4 +1 Gänge gefahren, ab dann waren im gleichen Gehäuse 5+1 Gänge zulässig. Das erlaubte insbesondere bei den 1600er-Lada-Motoren eine bessere Abstufung, höhere Geschwindigkeiten und am Ende schnellere Rundenzeiten.
Die hier nachfolgend beschriebene Getriebeabstufung ist für beide Gangzahlen anzusetzen.
Die wenig bekannte Regel zum Abstufen von Getrieben lautet:
Der höchste Gang muss den Rennwagen auf der längsten Geraden auf 8.000 U/min bringen.
Die 8.000 Umdrehungen galten als Maximalwert für den 1300er Lada-Motor. Alle unteren Gänge sind dann entsprechend des Rennstreckenprofils anzupassen. Auch hier galt dann, höchstmögliche Drehzahlen in den Gängen zu erreichen. Der siegstrebende Rennfahrer schaute sehr oft auf den Drehzahlmesser, um festzustellen, mit welcher Drehzahl er durch eine Kurve gefahren ist. Dann galt es die Abstufung des gefahrenen Gangs ggf. zu ändern.
In den 80er Jahren war es somit oft notwendig, aufgrund des Wetters oder einer neu asphaltierten Strecke, aber auch mentaler Schwankungen vor dem 2. Training oder noch vor dem Rennen optimal abzustufen. Nicht unbedingt eine Freude, da beim MT 77 das Getriebe ausgebaut werden musste. Schnell war man, wenn das bei abgekühltem Getriebe in reichlich 1 Stunde erledigt hatte.
Die Übersetzung als Maß der Dinge

Die Wahl der richtigen Übersetzung war das MUSS zum siegen wollen. Wer damit schlaksig umging oder aus Faulheit keinen Wechsel der Zahnräder vornehmen wollte, fuhr nur in der hintersten Reihe.
Bis Mitte der 80er Jahre wurden die Getriebeinnereien unter Federführung von Ulli Melkus in verschiedenen Betrieben hergestellt. Ab dann übernahmen Stefan Perner (ehemaliger Rennfahrer der #83 - heute Besitzer Sven Steinbach) mit Bernd Kasper die Konstruktion und die Herstellung der Getriebe. Später dann mit dem Prototypen ML 89 waren es weitere Konstrukteure. Rechts im Bild ein Dokument, was in jede Renndokumentation gehörte, die Getriebeabstufungen des MT 77 - Getriebes. Diese Tabellen wurden dann auf Erfordernis verändert, wenn z.B. neue Abstufungen notwendig waren oder wenn ein neues Differential eigesetzt werden musste. So, wie Mitte der 80er Jahre, als endlich Veränderungen an der Steuerung des Motors beschlossen wurden und die Rennwagen schneller wurden.
In den nachfolgenden Erläuterungen wird die Berechnung der Getriebeabstufungen erklärt. Alles kein Hexenwerk, man muss nur etwas rechen können.
Das Prinzip
Zur Erläuterung des Getriebeprinzips:
Im Getriebe gibt es ein Antriebs- und ein Abtriebsrad - beide ergeben eine Übersetzung. Dazu gehört das Differential, was die aus der Übersetzung gelieferten Drehzahlen auf beide Achsen überträgt (Fotos unten).



Wie im 1. Abschnitt erläutert, sollte der letzte Gang das Maß der Dinge sein, dann die Abstufungen der weiteren Gänge. Der 1. Gang spielt meist keine wichtige Rolle, weil dieser nur zum Anfahren da ist und bei Rundstreckenrennen dann kaum noch gebraucht wird. Dennoch gibt es Fahrer, die sich beim Start durch eine „kurze 1“ Vorteil verschaffen können. Beim Bergrennen allerdings kann er bedeutend sein.
Die Übersetzung des Getriebes
Die Multiplikation der Übersetzungen von Getriebe und Differential ergibt die Gesamtübersetzung:
i ges = i Gang * i Diff
Wie oben erwähnt, beträgt bei den heute gängigen Getrieben am MT77 die Übersetzung des Differentials 3,88 (das Differential, dass bis etwa 1985 gefahren wurde, hat einen Wert von 4,42). Fährt also jemand ein anderes Differential, dann muss er in der Berechnungsformel seinen Differentialwert eintragen (Tabelle 1 - Differential).
Für die Berechnung der Übersetzung eines Getriebegangs lautet die Formel:
i Gang = Zähnezahl des Antriebsrades / Zähnezahl des Antriebrades.
In alten Tabellen von Ulli Melkus werden noch die Bezeichnungen Los- und Festrad verwendet.
Gangtabelle Stand 2025

Zunächst ist die Tabelle der möglichen Übersetzungen die Grundlage aller Berechnungen. Früher wurde diese grafisch unterlegt, heute genügen Zahlenwerte und Excel. In der Tabelle 2 sind die gegenwärtig (2025) eingesetzten Getriebeabstufungen aufgezeichnet. Dabei wurde das gängige Differential mit der Übersetzung 3,88 beim MT 77 zur Grundlage genommen.
Diese Tabellen und Berechnungen wurden auf der Grundlage der Dokumente von Ulli Melkus (siehe Bild "Einstellrichtwerte - Stand 1982") und Stefan Perner (02.02.1989) neu berechnet. Hierbei wurde die heute gängige Reifengröße mit dem Durchmesser von ca. 570 mm berücksichtigt sowie das 1985 veränderte Differential (Hohlrad = 31 Zähne und Ritzel = 8 Zähne, ergibt 3,88) zugrunde gelegt.
Die Berechnungen
Max. Geschwindigkeit einer jeweiligen Gang-Übersetzung bei 8.000 U/min
Für deren Berechnung sind folgende Werte notwendig:
- Maximale Drehzahl in allen Gängen (8.000 U/min beim lada 1300)
- Umfang des Rades bzw. Reifens (Berechnung siehe Tabelle 3)
- Die Gesamtübersetzung als Ergebnis der Multiplikation der Übersetzungen:
Gang und Differential (Tabelle 1).
Es kann empfehlenswert sein, den wirklichen Radumfang zu ermitteln, da die Räder meist in der Produktion oder wenn bereits benutzt, einiges von den Herstellerangaben abweichen.
Dazu stellt man den Rennwagen mit dem durchschnittlich aufgepumpten Raddruck hinten auf eine ebene Fläche und markiert den Reifen am Berührungspunkt der Fläche und diesen Punkt auf der Standfläche selbst. Dann bewegt man den Rennwagen eine Umdrehung des Hinterrades und markiert wieder auf der Standfläche. Das Maß zwischen den Flächenmarkierungen ergibt ein genaues Abbild des Radumfangs.
Die Formel, Berechnung der Geschwindigkeit ist in Tabelle 4 dargestellt, wobei die Zahlen 6 und 100 lediglich Umrechnungswerte für km/h darstellen.
In der Kurzformel sind die Werte für Drehzahl (8.000 U/min) und Radumfang (575 mm) bereits in der Zahl "876" berechnet. Diese Formel erspart Rechenarbeit mit Klammern usw.


Rennwagen haben keinen Tacho.
Ist es erforderlich ein gesetztes Tempolimit einzuhalten - z. B. Boxen mit max. 60 km/h oder bei einem FCY (Full Course Yellow), dann muss die Drehzahl eines bestimmten Gangs ermittelt werden. Somit muss die oben genannte Formel der Tabelle 4 umgestellt werden. Dazu benötigt man wieder die Gesamtübersetzung nach Tabelle 1 sowie den Radumfang nach Tabelle 3.
Hier im Beipiel habe ich eine Begrenzung auf 60 km/h simuliert. Dazu habe ich meine gegenwärtig gefahrenen 1. - 3. Gänge analysiert und mich für den 2. Gang entschieden:
- der 1. Gang liefert eine Drehzahl von 5.300 U/min - zu hoch-tourig
- der 2. Gang liefert eine Drehzahl von 3.500 U/min - angenehme Drehzahl
- der 3. Gang liefert eine Drehzahl von 2.700 U/min - zu niedrig-tourig.
Natürlich ist diese Aussage Geschmackssache und nicht das "Nonplusultra" ...
Dieser Rechenvorgang steht in der u.a. pdf zum Download bereit: